Wenn man eine Bewegung macht, z.B. um ein Glas zu greifen, ist man vorher mit der Absicht schon bei dem Glas, und die physische Bewegung kommt nur hinterher. Auch wenn man eine Stufe heruntergeht, hat der Muskel vorher sozusagen eine Vorstellung von der Bewegung – und wenn man dann z.B. die Stufe verpasst, ist die erwartete Passung der Muskelbewegung zur Stufe nicht vorhanden, und man kippt um oder stolpert und verletzt sich.
So ist das auch mit dem Körper. Das Seelisch-Geistige baut sich den Körper in der Embryonalentwicklung auf und möchte diesen dann nach der Geburt auch ergreifen bzw. in Besitz nehmen – das ist wie eine intentionale Passung. Es ist von vornherein festgelegt, dass das Seelisch-Geistige in diesen Körper hineingehen möchte, und wenn es Schwierigkeiten gibt (z.B. eine Behinderung), dann wurden diese bewusst ausgesucht, um daran zu wachsen und stärker zu werden. Mir ist ganz wichtig, dass der Körper als Instrument der Seele angesehen wird.
Schon Walter Bühler, ein anthroposophischer Arzt, hat dazu ein Buch geschrieben („Der Leib als Instrument der Seele in Gesundheit und Krankheit“, 87 Seiten, Verlag Freies Geistesleben 1962, ASIN: B0000BGYFM) und macht klar, dass die Ergreifung des Leibes durch das Seelisch-Geistige mehr ein künstlerischer als ein physiologischer Prozess ist.
Zwar finden auch biochemische Prozesse statt (z.B. wird in der Leber Glukose gespeichert, und wenn diese abgesondert wird, entsteht ein Gefühl), aber zuerst ereignet sich die Intention des Geistes und der Seele, den Körper zu ergreifen, daraus entsteht der Inkarnationswille und -prozess – und dann erst erfolgen die biochemischen Aktionen.
Meine Körpertherapie ist eine Verbindung zwischen Geist, Seele und Körper.
Es kommt auf diese Begegnung an, auf diesen Prozess. Aus diesem Grund heißt meine Arbeit „prozessorientierte Entwicklungsbegleitung“. Das Entscheidende ist die von vornherein gegebene Absicht, der Wille und das Interesse der Seele an eben diesem Körper. Das Geistig-Seelische hat immer das Interesse, sich mit den Aufgaben und Herausforderungen auseinander zu setzen, die dieser Körper in seiner Ganzheit, in seiner Konstitution und in seiner Vererbungsqualität bietet.
Daher ist diese Körpertherapie zwar auch psychosomatisch, aber auch psychotherapeutisch, also eigentlich körperpsychotherapeutisch, weil damit die „Gestimmtheit“ der Seele (wenn man den Körper als ihr Instrument betrachtet) angesprochen wird, damit die Seele die Haltung annimmt: „Aha, da kommt jetzt wieder etwas, damit möchte ich mich auseinandersetzen.“
Auf diese Weise behandele ich sowohl Erwachsene als auch Kinder, und zwar eben nicht manipulativ, sondern so, dass dieser Wille herausgelockt wird. Der Körper wird berührt und dadurch kann die Seele sagen: „Aha, da gibt jemand meinem Körper Zuwendung und Halt, und mein Körper wird gefragt, was er jetzt braucht.“ Der Körper weiß ganz genau, was er braucht, und er weiß auch, wo er seine Ressourcen hat, und wenn der Körper in der richtigen Weise gefragt wird, kann die Seele sich einfügen. Sie hat dann plötzlich das Interesse, stärker in diesen Körper hineinzugehen.
In dieser Körpertherapie kommt es also nicht darauf an, von vornherein eine Antwort zu wissen („Das und das tue ich, und dann verschwindet das Symptom!“), sondern darum, die richtige Frage zu stellen: „Was brauchst du denn jetzt, liebe Seele? Was brauchst du, lieber Körper? Wie kann ich beitragen, dass ihr in der richtigen Weise in einen rhythmischen, atmenden Prozess kommt, dass ihr euch gegenseitig kennenlernt?“
Besonders wenn ich bei der Behandlung von Kindern diese fragende Haltung einnehme, kann der Körper oft überhaupt erst zum Instrument der Seele werden.
Es ist wichtig und sinnvoll, den Körper als Instrument der Seele ernstzunehmen.
Es gibt einen Begriff für die Gesamtheit einer Körperwahrnehmung, aus der Sicherheit und Geborgenheit erwachsen können, und Eugene Gendlin, der Entwickler der Focusing-Methode bezeichnet diese Wahrnehmung als Felt Sense. Es ist ein Gefühl von Stimmigkeit, ein „Ja, genau!“ wenn man ohne Worte etwas weiß und dieses Wissen in seinem Körper empfindet. Der Felt Sense kann sich im Laufe des Erwachsenwerdens und des Ergreifens der Leiblichkeit, wo die Konstitution gebildet wird, zu einem sicheren Instrument entwickeln. Es geht daher nicht nur darum, den Körper wahrzunehmen, sondern auch die eigene Schöpferkraft und die Phantasie speisen sich aus dieser Quelle.
Nicht invasiv, sondern abwartend, fragend, liebevoll.
Ich lehne daher die invasive Haltung ab, wo man von vornherein schon zu wissen glaubt „Das Kind hat eine Bewegungsstörung, und jetzt mache ich die-und-die Übung, und dann geht das-und-das Symptom weg und dann ist das Kind geheilt.“ Natürlich schaue auch ich, dass ein Symptom besser wird, aber das ist nur ein Baustein auf dem Weg. Denn das Symptom hat ja immer eine Ursache, und wenn ein sichtbares Symptom sozusagen verschwindet und man greift nicht tiefer, dann kommt auf einer anderen Ebene ein anderes Symptom, z.B. auf einer funktionellen Ebene oder wo auch immer. Manchmal tritt auch erst viel später ein anderes Symptom zu Tage, aber bei invasiven Methoden verbindet man das neue Symptom nicht mehr mit dem wegtherapierten und sieht den möglicherweise vorhandenen Zusammenhang nicht.